Hallo allerseits
Immer wieder tauchen in Traveller-Diskussionen Argumente auf wie "Traveller tut sich schwer weil SciFi uninteressant am deutschen Markt ist" oder "Traveller ist altmodisch", "Es fehlt an Publikum".
Letztendlich laufen diese Kommentare für mich auf eine gewisse Depression darüber raus, dass es offenbar schwierig ist, Traveller einem jungen Rollenspielerpublikum schmackhaft zu machen.
Da ich in unserem örtlichen Verein sehr viel mit Nachwuchsförderung im RP-Bereich zu tun habe, habe ich mal etwas nachgegrübelt und festgestellt, das Traveller für mich auch nicht das System der Wahl wäre, um Neulinge einzuführen, obwohl ich es eigentlich sehr schätze. Aber warum eigentlich? Und was könnte man ändern?
Im folgenden möchte ich mal das, was ich als die wichtigsten Eigenheiten (Stärken und Schwächen, manchmal auch beides gleichzeitig) von Traveller empfinde, zusammenfassen und im Anschluss einen Vorschlag machen, was wir (Als Traveller-Community, evtl. auch in Kooperation mit 13 Mann) tun könnten, um wieder näher an die Neulinge zu kommen:
Charaktergenerierung:
Die ausgewürfelte Lebensentwicklung erspart/erleichtert die Entwicklung eines komplexen Charakterkonzepts und führt trotzdem zu interessanten Charakteren. Das schreckt zwar evtl. manche langjährige Rollenspieler ab, die gerne das Gefühl haben ihren Charakter voll nach ihren Vorstellungen zu designen, aber ich denke, gerade für Neueinsteiger ist es ein Pluspunkt.
Regelsystem:
Das (Grund-)Regelsystem ist sehr einfach, 2W6+Mod > X ist schnell begriffen, eigentlich ideal für Einsteiger. Ein Problem ist für mich, vor allem in Hinblick auf junge Anfänger, die hohe Anzahl an Fertigkeiten, aber vor allem der Härtegrad. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Traveller-Regeln zwar nicht
unfair, aber realistisch hart sind. Was in der Realität keine gute Idee
ist, sollte man auch in Traveller besser nicht machen. Viele Spieler,
vor allem auch junge Neueinsteiger, bevorzugen aber einen
cineastischeren Spielstil. Dazu weiter unten mehr.
Ein weiterer echter Schwachpunkt ist für mich hierbei auch das Raumkampfsystem. Ein Teenie-Neu-RPler, der gerade Star Trek Into Darkness gesehen hat (jetzt ohne für oder gegen den Film zu sprechen) erwartet von einem Raumkampf einfach anderes, als die (sicherlich realistischere) Langstreckentaktik, die Traveller bietet.
Charakterentwicklung
Auch hier schlägt der Realismus zu. Traveller-Charaktere "leveln" nur sehr langsam. Das bietet als Vorteil die Option auf lange laufende Kampagnen, ist aber gerade für junge Rollenspieler schnell frustrierend, die es von
anderen Rollenspielen (oder stärker noch Computerspielen) gewohnt sind,
ständig mit Abenteuerpunkten überschüttet zu werden.
SciFi
Es gibt nicht viele reine SciFi-RPG-Systeme am Markt, Traveller bietet
damit gerade einen Anreiz für diejenigen, die eher auf SciFi als Fantasy stehen.
Viele betrachten SciFi am heutigen (deutschen) RP-Markt ja an sich schon als Handicap. Aber warum eigentlich? Im letzten halben Jahr waren mehr SciFi-Filme als echte Fantasy-Filme im Kino, viele Computerspiele in futuristischen Settings sind extrem erfolgreich.
Ich betrachte SciFi per se also nicht als KO-Kriterium.
Grenzenlose Möglichkeiten
Es gibt unzählige Welten und durch die verschiedenen
Technologiegrade ist von Mittelalter über Viktorianische Settings und
Cyberpunk bis hin zu Star Trek praktisch alles machbar. Traveller gibt
auch keinen bestimmten Spielstil vor, ob die Charaktere Helden oder
Schurken, Raumschiffkapitäne oder Geheimagenten sind, liegt bei den
Spielern und kann sich sogar innerhalb einer Kampagne ändern. Für erfahrene Spielleiter sind das Idealbedinungen
Das ist aber auch eine der Haupt-Achillesfersen von Traveller: Anfänger fühlen sich einfach überfordert und alleine gelassen durch zu grobe Vorgaben. Das 13 Mann mehr Abenteuer bringen will, erachte ich hier als einen Schritt in die richtige Richtung. Allerdings sollten diese dann etwas "klassischer" werden. Asteroidenrausch und Gefängniswelt waren eher Settingbände mit Szenarios, noch dazu gehen sie von stark spezifischen Charaktertypen aus, was Herkunft und Hintergrund angeht. Was für Anfänger wirklich fehlt sind Abenteuer, die man einfach mit bestehenden Charakteren losspielen kann und evtl. sogar zu einer längeren Kampagne verbinden kann.
Hephaistos habe ich noch nicht, kann also noch nichts dazu sagen.
Also was tun?
Zusammengefasst würde ich also sagen, fehlt es Traveller für die heutige RP-Jungend an zwei Punkten:
- Stärkere Vorgaben/Besseres Abenteuerangebot: Hieran arbeiten 13 Mann ja schon. Wie gesagt würde ich empfehlen die (Anfänger-)Abenteuer universeller verwendbar (soweit möglich Gruppen- und Ortsunabhängig) und weniger komplex zu machen. Die erfahrenen Traveller-Spielleiter schöpfen mit den ganzen Szenario-Generatoren und Anregungen ohnehin aus dem Vollen, konzentriert euch bei den Abenteuern auf die absoluten Neueinsteiger.
- Cineastischeres Spiel: Teenager wollen Aktion. Sie wollen Helden sein und strahlen können. Und zwar nicht Helden wie Feuerwehrleute sondern Helden wie aus einem Hollywood-Action-Blockbuster. Und das kann Traveller nicht bieten. Ein Unfall mit einem Grav-Fahrzeug ist praktisch sicher tödlich, ein Treffer aus einer Laserpistole macht einen Charakter zum Krüppel, der zweite knipst ihn aus. Aktionen wie der Absprung auf die Bohrplatform in Star Trek oder der Hochgeschwindigkeitsflug des Milenium Falken durch das Asteroidenfeld sind bei Traveller schlicht und ergreifend Selbstmord. Und diese Erkenntnis nimmt jungen Spielern die Lust aufs Spiel. Klar kann der Spielleiter hier viel drehen, aber gerade junge und neue SLs sind hiermit sicherlich überfordert.
Ich denke, dass Punkt 2 durch eine nicht all zu lange Liste von einfachen Optionalregeln "behoben" werden könnte. Das Traveller-Regelsystem ist simpel genug, um solche Aufsätze zu verkraften. Was ich also vorschlagen würde ist, gemeinsam eine solche Liste und letztendlich ein pdf zu erstellen, die es erlauben, Traveller cineastischer zu spielen ohne an vorgegebenen Profil- und Waffenwerten herumzuschrauben.
Was haltet ihr davon? Oder habt ihr überhaupt gänzlich andere Meinungen zu den Stärken und Schwächen von Traveller? Auch das würde mich interessieren.
Ein paar erste Vorschläge für optionale Regelungen (noch ohne Bewertung)
- Abenteuerpunkte: Lernwochen werden durch Abenteuerpunkte ersetzt. Pro Spielabend gibt es 2-4 Abenteuerpunkte.
- Gummipunkte: In den meisten actionlastigeren Systemen gibt es irgendeinen Mechanismus um in kritischen Situationen Proben zu wiederholen oder auszugleichen, das wäre wohl ein einfacher Weg um mehr Risikobereitschaft zu erlauben. Im Campaign Guide gibt es sogar schon einen Regelvorschlag mit "Hero Points". Hat schon jemand Erfahrung damit?