"Es wird geladen!
Denn wir wollen uns vermählen
Zum Saufen, Feiern, Tanzen
und ja, es gibt auch Braten!"
Wir laden herzlichst und höflichst ein, zu unserer Vermählung am nächsten Vollmondstag. Ob Glückritter, Tunichtgute, Recken, Söldner oder anderweitig Umherziehende sei uns egal, Hauptsache Ihr habet irgend einen Dreck am Stecken. Stattfinden wird die Feyerey im Weißen Pferd - Ihr wisset ja, wo dieses steht.
In Erwartung auf ein zahlreiches Erscheinen,
Arianna Löwenhaupt und Roland Brandtfort"
Ein platter Reim, krakelige Schrift, einige Tintenkleckse. Wären diese Dinge nicht so bezeichnend gewesen, hätte man sie fast als stillos oder schäbig bezeichnen können. Es gab nichts, weswegen man diese Feier hätte gutheißen können und doch... ausgerechnet jetzt war sie regelrecht zu begrüßen.
Die krallenbewährten Klauen, die das Pergament fest hielten, glänzten im Licht des zunehmenden Mondes. Bald...bald schon würde die Zeit gekommen sein. Es war nur noch ein wenig Geduld zu wahren.
Der finstere Schemen erreichte sein Ziel. Vor einer Tür aus schwerer Eiche und matt glänzenden Eisenbeschlägen kam er zum stehen. Kurzerhand entließ er das Flugblatt in die nächtliche Brise. Dann klopfte er an.
***
Das Weiße Pferd war die erste Adresse am Platz, zumindest wenn man eine kurzzeitige Bleibe suchte und nicht gerade ein fahrender Händler oder ein verzogener Erbe auf Lustreise war. Das alleine machte das Gasthaus nahe des Stadtrands schon zu einem belebten Ort. Seit aber vor einigen Tagen eine Einladung in Form von Anschlägen und Flugblättern durch die Stadt gegangen war, stieg die Zahl der Gäste stetig an. Schankwirt Harro hatte bereits zwei weitere Mädchen angeheuert, um die Flut an Gästen zügig bewirten zu können. Auf die vermehrte Frage seiner Gäste hin, ob das Bier auch reichen würde, antwortete er mittlerweile nur noch "Lucille hat alles organisiert". Dabei verriet sein gehetzter Blick jedoch, dass selber an seinen Worten zweifelte, den mittlerweile fast schon stündlich eintreffenden Wagen von Brauern und Bauern zum Trotz. Doch er beschwerte sich nicht. Denn was die Gästemeute an zusätzlicher Arbeit bedeutete, das verhieß sie auch an Einnahmen. Stall und Zimmer waren voll belegt und noch immer fragten weitere Gäste nach einem Quartier für die Nacht. Wer ein paar Kupferlinge sparen wollte, der teilte sich sein Zimmer mit jemandem, den er für halbwegs vertrauenswürdig hielt. Morgen, am Tag der Hochzeit, sollten zwei weitere Schlafsaalbetten vom Schreiner gebracht werden. Ein Tropfen auf den heißen Stein.
Durch die Menge an Gästen war es entsprechend laut im Schankraum. Die beiden Spielleute, die eigentlich hatten für Stimmung sorgen wollen, hatten aufgegeben, sich irgendwie Gehör zu verschaffen. Zu sehr türmten sich all die leisen und lauten Gespräche im Gastraum auf. Und so hörte auch niemand das leise Klopfen, welches von draußen erklang. Erst als ein hölzernes Krachen auf den drei Stufen vor der Tür erklang, stellte eines der Schankmädchen kurz sein Tablett auf einen Tisch und sah nach dem Rechten.
"Harro", erklang plötzlich ihr alarmierter Ruf, mit dem sie es tatsächlich schaffte, die Menge zu übertönen. Einige der Gespräche in Türnähe verstummten.
Schankwirt Harro, der sich für ein paar Minuten den Luxus gegönnt hatte, sich zu einem alten Bekannten zu setzen, stand auf und erhob sich zu voller Größe. Er war groß und breit wie ein Bär. Der dichte Backenbart tat sein Übriges zu seiner Erscheinung. Mit diesem Mann legte sich niemand an. Argwöhnischen Blickes schritt er zur Tür. Das Weiße Pferd schien für die Dauer eines Herzschlages den Atem anzuhalten.
"Da, schau", sagte das Schankmädchen deutlich aufgeregt und deutete nach oben. Die Miene des Wirtes verfinsterte sich augenblicklich.
"Wenn ich die erwische!", donnerte er los, sodass man es selbst in der hintersten Ecke des Raumes noch hören konnte, "Das ist bereits das dritte Schild. Ich werde diese vermaledeiten Bastarde eigenhändig aufknüpfen!"
An einem Tisch am Rande des Geschehens zückte ein Gast ein kleines, in Leder gebundenes Buch, machte sich mit einem Kohlestift eine Notiz hinein und beobachtete die Situation aufmerksam, während das Buch wieder in einem dunklen Mantel verschwandt.